Donnerstag, 11. Dezember 2014

tagebuch der empörung XX

1. die nun teilweise veröffentlichten cia-berichte dokumentieren grausamste folter. waterboarding, rektale zufuhr von wasser oder nahrung, brutale drohungen, vergewaltigung... und was ist die konsequenz? alle schreien auf, alle sind entsetzt.
nunja, vielleicht bis auf den ex-präsidenten george w. bush, der die cia-mitarbeiter weiterhin als "patrioten" bezeichnet. er, der sich schon 2003 im kampf gegen die "achse des bösen" und sich selbst immer auf der seite der guten wähnte. immerhin ging es da um demokratie versus diktatur.
was ist das für eine demokratie, die foltern zulässt, die die todesstrafe zulässt? was ist das für eine wertegemeinschaft, die angeblich der deutsche staat mit den vereinigten staaten von amerika bildet? ohne dass verantwortliche bestraft werden, folter konsequenzen hat? in den medien wird immer wieder erwähnt, dass die folter auch noch nutzlos gewesen sei in vielen fällen. gibt es nicht in deutschland die übereinkunft, dass folter - egal ob sie erfolgversprechend ist oder nicht - grundsätzlich nicht akzeptiert ist? dass folter ein einschnitt in die menschenwürde sind, die jeder mensch verdient hat? ich jedenfalls bin nicht teil einer solchen wertegemeinschaft!

2. in den letzten wochen hat man immer wieder von den pick-up-seminaren gehört. pick-up-artists nennen sich menschen wie der amerikaner julien blanc, die anderen männern beibringen, wie sie eine frau abschleppen können. wobei der begriff "aufreißen" fast besser passt. denn neben lockeren sprüchen gehören durchaus auch gewaltsame aktionen. in videos erklärt blanc seine vorgehensweise. so sieht man ihn zum beispiel, wie er sich auf straßen in tokio offenbar willige japanerinnen greift und ihren kopf in richtung seines schrittes drückt. zitat: „in tokio kannst du als weißer mann machen, was du willst. ruf einfach pokémon oder pikachu und greif sie dir.“ bitte - was? "pick-up-artist" - soll das kunst sein? ist vergewaltigung dann auch eine kunst, wenn man es besonders geschickt anstellt? was hier julien blanc treibt, muss unbedingt in die ecke der gewalt gesteckt werden. immerhin wird endlich kritisch darüber berichtet und viele leute melden sich zu wort.
und dann immer wieder der aufschrei "dürfen wir denn gar nicht mehr flirten?". auch in der sexismus-debatte hat man ihn immer wieder gehört. oh doch, liebe leute! antisexismus bedeutet ja nicht, sexualität abzulehnen. auch nicht, sexualität zu leben und zu genießen. und natürlich gehören flirts dazu.
ein guter flirt ist etwas tolles. ohne ihn würde das leben doch nur halb so viel spaß machen. aber es gibt soviele möglichkeiten, mit respekt zu flirten, auf augenhöhe. es gibt soviele möglichkeiten für dating und one-night-stands auf einer freiwilligen basis. und damit meine ich freiwilligkeit auf seiten aller beteiligten. es kann nicht sein, dass in unserer gesellschaft, solche pick-up-seminare legitimiert werden mit "manche leute sind eben schüchtern und brauchen unterstützung". im ernst? ist das gegenteil von schüchternheit aggressivität? ist das gegenteil von einsamkeit das gewaltsame nehmen von gemeinsamkeit? das glaube ich nicht. und christian schlüter schreibt in seinem guten text für die frankfurter rundschau, ob es vielen männern immer noch nicht möglich ist, ihre sexuellen bedürfnisse anders als gewalttätig zu artikulieren. diese "techniken" sind frauenverachtend und damit sind sie menschenverachtend.