Montag, 19. Oktober 2015

der v-mann bei hogesa

eine skandalöse nachricht kam vergangene woche ans licht. der verstorbene hooligan roland sokol, der im september verstarb, war wohl ein v-mann des verfassungssschutzes. gleichzeitig war er mitbegründer der bewegung „hooligans gegen salafisten“ ("hogesa"), die sich im herbst 2013 zum ersten mal zusammentat. eine mischung aus fußballhooligans und rechtsextremen, die offiziell gegen salafisten vorgehen wollten, in der tat jedoch fremdenfeindliche aktionen planten. ihren höhepunkt erreichte die bewegung ein jahr später, im herbst 2014 bei einer demo in köln, die in gewalt eskalierte. nach informationen von spiegel online hatte sokol zahlreiche mails an die behörden weitergeleitet. das bedeutet, dass der verfassungsschutz von geplanten und aktuellen aktionen bescheid wusste. und doch war rund um die aktion in köln nichts passiert:

„merkwürdig nur, dass ein kölner polizeisprecher noch wenige tage zuvor gegenüber spiegel online in abrede gestellt hatte, dass die rechte szene eine wichtige rolle bei hogesa spiele. es gebe "keine erkenntnisse", dass neonazis in größerem umfang zu der kundgebung kommen würden, sagte der polizeisprecher damals. und auch danach zeigten sich die behörden erstaunlich ahnungslos: die lage in köln, so nrw-innenminister ralf jäger (spd) damals, sei "durch exzessive, teils eruptive und nicht vorhersehbare gewaltanwendung gegenüber polizeibeamten geprägt" gewesen.“
(zitat spiegel online - link)

wie kann das sein? nun soll zwar zu diesen dubiosen zusammenhängen ermittelt werden – berichtet wird dazu fast nirgends. klar, es ist mit sicherheit schwer, an informationen zu diesem fall zu kommen. trotzdem. der fall ist skandalös und muss doch von den medien zum thema gemacht werden. und zwar nicht in der rubrik „sport“, wie es bei spiegel online leider getan wurde. ja, es geht hier auch um fußballhooligans. dennoch: vor allem geht es hier um politik.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

von kollateralschäden

es ist unglaublich. ein krankenhaus in kundus wird von den der luftwaffe der usa bombardiert. patienten und ärzte sterben, es gibt zahlreiche verletzte. man nennt das dann: kollateralschaden, denn es war ein versehen. kollateralschaden. der duden definiert dies holprig lange wort folgendermaßen: „bei einer militärischen aktion entstehender [schwererer] schaden, der nicht beabsichtigt ist und nicht in unmittelbarem zusammenhang mit dem ziel der aktion steht, aber dennoch in kauf genommen wird.“ herkunft: „nach englisch collateral = nebensächlich; zusätzlich“.

ein schaden, der in kauf genommen wird? zu recht betont der deutschlandfunk, das der begriff „kollateralschaden“ in diesem zusammenhang ein „zutiefst menschenverachtendes wort“ ist. dass es nicht akzeptabel ist, dass solche schäden entstehen, schäden am menschen und an der menschlichkeit. ausgerechnet ein krankenhaus – das darf nicht hingenommen werden, von keiner regierung der welt. auch von den usa nicht, die sich sowohl bei der deutschen regierung als auch der deutschen medienlandschaft viel mehr erlauben dürfen als beispielsweise „der russe“. wäre eine solche bombardierung von putins militär gekommen – wie wären dann wohl die reaktionen? sanktionen vielleicht? man könnte wieder schön sagen: der russe wars. denn geben wir es doch zu: russland ist immer noch nicht als partner anerkannt, sondern wird immer und überall mit größerer vorsicht beäugt. was die russische regierung unter putin macht oder sagt, gerät immer direkt in die kritik, während die amerikanische regierung unter obama sich gleichermaßen viel leichter erlauben kann. 

bomben sind nie gerecht, ein tod darf nie als kollateralschaden gelten.

unglaublich ist auch, was diese tage über einen anderen staat an die öffentlichkeit kam: china. china, dem land, dem merkel und co. so gerne die hand schütteln – man koooperiert ja. rein wirtschaftlich. ein staat, mit dem man es sich lieber nicht anlegt und bei besuchen gute miene zum bösen spiel macht. menschenrechtsverletzungen vor ort ignoriert und damit toleriert. hinnimmt. denn: man ist ja partner. wirtschaftspartner. mit einem solchen sollte man es sich nicht verscherzen, oder?

human rights watch hat in seinem neusten bericht auf die foltermethoden der chinesischen behörden hingewiesen (bericht im weltspiegel). häufig ist das reine willkür: menschen werden festgenommen, ohne hinweise oder gar beweise. sie werden gefoltert auf brutalste art, bis sie ein geständnis ablegen. ein geständnis über eine tat, die sie oftmals gar nicht begangen haben. immer wieder wurden solche gerichtsurteile im nachhinein als inkorrekt erklärt, weil betroffene sich anwälte geholt haben und dagegen vorgegangen sind. aber in wievielen fällen kommt es gar nicht dazu, dass ein fall erneut aufgerollt wird? wie oft sind menschen und ganze familien so gebrochen und ihr leben so zerstört, dass gar nichts mehr geht?

stolz ist man in china darüber, dass die aufklärung von verbrechen überdurchschnittlich hoch ist im internationalen vergleich. soll heißen: man freut sich, wenn man einen verbrecher verurteilen kann. eine super statistik, diese aufklärungsrate. auf welche art die geständnisse erreicht wurden und ob sie den richtigen verbrecher gefunden haben bleibt darin unklar. hauptsache die statistik klingt gut und im internationalen vergleich ist man ganz vorne mit dabei. aber die chinesen sind eben leider auch im bereich der folter vorne mit dabei.

das könnte doch auch mal thema werden. gerne auch von merkel und co. beim nächsten china-besuch. einen vorschlag hätte ich ja: wie wäre es mit sanktionen? die sind doch in den letzten jahren so populär geworden.

Montag, 7. September 2015

eine stille revolution

wenn ich in den letzten wochen die schlagzeilen in der zeitung gelesen oder im radio gehört habe, war ich oft erschrocken. empört, frustriert, wütend, traurig, enttäuscht, schockiert, mutlos. brennende asylbewerber-unterkünfte, hassparolen auf demos und im internet, relativierende politiker, die tatenlos zusehen. meine frustration wurde jedoch auch durchbrochen durch berührende bilder. aufmerksame menschen, die durch sachspenden helfen. engagierte menschen, die ihre zeit und ihre energie einbringen. die die flüchtlinge aus aller welt willkommen heißen, ihnen einen guten start ermöglichen, ihnen ein wenig wärme in diesem kalten land geben. wenn ich diese menschen erlebe, wird auch mir warm. 

was sich derzeit weltweit an migration abspielt ist neu und einzigartig. diese situation ist durchaus als logistisches „problem“ zu begreifen. oft sehe ich auch keine gute lösung. was ich aber weiß: rassismus und hass sind niemals die lösung. was offensichtlich noch nicht alle wissen. zuviele menschen suchen engstirnige und egoistische lösungen. einige von diesen waren sogar selbst schonmal flüchtlinge, haben dies aber offenbar vergessen und messen mit zweierlei maß. 

das „problem“ ist also in dieser dimension noch nie da gewesen. aber auch die hilfsbereitschaft, die vielen engagierten menschen, auch die gab es in dieser form noch nie. die gesellschaft in deutschland hat gerade die chance, sich positiv zu entwickeln, sich auf den weg nach neuen lebensformen zu machen, sich zu öffnen und zu weiten. mich begeistert, zu erleben, wieviele menschen zum teilen bereit sind, egal ob es um kosten, um gegenstände, um zeit oder energie geht. während viele politiker bei dieser entwicklung noch hinterherhecheln, hat sich in der zivilgesellschaft eine stille revolution entwickelt, die sogenannte „willkommenskultur“ wird wahrgemacht. ich bin gespannt, wohin unsere gemeinsame reise geht. wir sind auf dem richtigen weg.

Dienstag, 18. August 2015

flüchtlinge im internet

der digital gap ist ein begriff aus der kommunikationswissenschaft, der auf die unterschiedlichen zugangschancen zu informations- und kommunikationstechnologie verweist. oft ist damit vor allem das internet gemeint. dieser unterschied in den zugangsmöglichkeiten zum internet hat häufig nicht nur technische gründe, sondern auch sozioökonomische. so sind beispielsweise in deutschland die zugangsmöglichkeiten für gutausgebildete, wohlhabende menschen in der regel besser als für bildungsferne und benachteiligte gruppen. auch im globalen zusammenhang lässt sich natürlich eine solche digitale kluft wahrnehmen.

es gibt immer mehr menschen, die der meinung sind, der zugang zum internet müsse eine art menschenrecht darstellen. denn in zeiten einer informationsgesellschaft sind schnell diejenigen ausgeschlossen, die nicht an den digitalen medien teilhaben können und werden abgehängt.

diese überlegungen sollten miteinfließen, wenn wir uns gedanken über internet in flüchtlingsunterkünften machen. dass dieser oft nicht besteht, darauf macht unter anderem die initiative freifunk aufmerksam. diese organisation engagiert sich für einen kostenlosen freien zugang zum internet für alle teile der bevölkerung. so auch für asylbewerber, die in übergangsheimen untergebracht sind. so wie beispielsweise in hamburg-harburg, in der seit kurzem 700 flüchtlinge internetzugang haben, weil sich ehrenamtliche ihre netzwerkkapazitäten teilen.

doch warum stellt der staat dies nicht einfach zur verfügung? offiziell soll er dies. doch in der realität sind diese internetzugänge nicht vorhanden. angeblich, weil man missbrauch des internets vermutet (artikel bei zeit online). ich finde es toll, wenn sich initiativen um wlan für flüchtlinge kümmern. aber warum müssen wieder teile der bevölkerung aufgaben übernehmen, die eigentlich die behörden organisieren sollten?

die frage ist ja auch, ob das nicht auch mit abgesicht so gelenkt wird. denn wer sich informieren kann, kann sich organisieren, vernetzen, auch unrecht recherchieren und anklagen. kurz gesagt: er bekommt macht. er wird ermächtigt. und diese vorstellung bereitet offensichtlich manchen behörden sorge. so selbstbestimmt wünschen sie sich die flüchtlinge vielleicht nicht? ein guter artikel von netzpolitik geht auch auf diese thematik ein – lesenswert. für mich ist klar: der digital gap sollte verkleinert werden.

in den letzten monaten war auch immer wieder zu hören, asylbewerber würden ja sogar mit smartphones rumlaufen, so schlecht könne es denen ja nicht gehen. hier gilt das gleiche. oft besitzen diese menschen quasi nichts als dieses smartphone. aber es ist für sie noch elementarerer als für mich und dich, die leserin. wer keinen computer hat, für den ist das smartphone die einzige möglichkeit, sich informationen aus dem netz zu beschaffen. deutsch zu lernen. und: zu kommunizieren. mit freunden und familie in der heimat, die man aus verschiedenen gründen verlassen musste. es ist der letzte rest an nähe, der letzte zipfel an vertrautem für viele, die in ein fremdes, kaltes land ziehen mit soviel hoffnung.

Donnerstag, 25. Juni 2015

besorgte bürger

liebe „besorgte bürger“ in freital!

schon seit beginn des jahres geht ihr auf die straße um gegen die unterbringung von asylbewerbern in eurem ort zu demonstrieren. jetzt, im juni, erreichen eure proteste ihren höhepunkt. von „besorgten bürgern“ ist in den medien und bei den politikern die rede. ich glaube euch, dass es zwischen euch menschen gibt, die sich einfach nur sorgen machen. leider mischen sich die besorgten aber auch mit rassistischen menschen und sogar mit rechtsextremen. für die sind eure sorgen nämlich ein gefundenes fressen! die warten nur darauf, dass in menschen diese gefühle aufkommen. und dann machen sie es sich sozusagen richtig gemütlich auf all den sorgen und bedenken und ängsten der leute und machen politik daraus. naja – gemütlich. sie schreien „wir wolln euch hängen sehn“ und zeigen die hässliche fratze von hass und rassismus und fremdenfeindlichkeit.

auch ich sorge mich zurzeit. ich sorge mich um die sogenannte „willkommenskultur“ die frau merkel schaffen möchte. ich sorge mich um die flüchtlinge, die in allen ecken nur angefeindet werden und die zum großteil doch schon traumatisiert ankommen. keiner verlässt seine heimat einfach nur aus spaß. keiner verlässt seine familie nur, weil er gerne ein bisschen besser leben will. jeder hat seine gründe, so einen weiten weg auf sich zu nehmen und alles vertraute hinter sich zu lassen. das können nicht nur „kleinigkeiten“ sein. vielleicht ist es nicht immer politische verfolgung, aber dann ist es unter umständen bittere armut. deshalb ist der begriff der „wirtschaftsflüchtlinge“ auch so unpassend und diskriminierend. und nur offensichtlich fehlt es vielen von euch an empathie, um das zu begreifen. 

ich bin besorgt. ernsthaft besorgt.
eure johanna